Fair Made in der EU oder doch auch in Bangladesch?

Eine Meinung.

 

Viele kleine Modelabels produzieren „fair“ in der EU, zumeist in Portugal. Bangladesch gilt als Produktionsort bei den meisten Verbraucher:innen hingegen als ein No-Go. Doch warum eigentlich?

 

Natürlich ist den meisten mittlerweile bekannt, dass dort Arbeitskräfte ausgebeutet werden und der Weg zu fairen und sicheren Arbeitsbedingungen noch lang ist. Der Mindestlohn in Bangladesch liegt bei circa 80 Euro/Monat und reicht nicht zum leben. Ein Existenzlohn, der das Leben ausreichend finanzieren würde lag 2017 laut AFW (ASIA FLOOR WAGE) bei 377 Euro/Monat.

 

Und in Portugal? Da wurde der Mindestlohn dieses Jahr auf 4,40 Euro/Std. und 740 Euro/Monat angepasst. Richtig gelesen. Im Jahr 2022 für 4,40 Euro/Std. zu arbeiten klingt jetzt auch nicht nach krass viel. Natürlich ist es auch kostengünstiger dort zu leben als in Deutschland. Aber das Verhältnis scheint dennoch nicht so richtig zu stimmen.

 

Die Kreuzueber-Socken kommen fast alle aus Deutschland, ein paar Reste stammen noch aus Portugal, die Mützen sind aus Serbien und die Shirts und Hoodies hauptsächlich von einem „fairen“ Großhändler aus Belgien. 

Dieser Großhändler produziert das meiste seiner Waren in Bangladesch. Er ist allerdings der Fair Wear Foundation (hier könnt ihr euch informieren) angeschlossen, welche unabhängig die Fabriken besichtigt und überprüft. Dadurch können vor Ort die Arbeitsbedingungen dauerhaft verbessert werden. Das heißt aber nicht, dass sie von jetzt auf gleich perfekt sind. Einige No-Gos wurden dort bereits angegangen: Kinderarbeit ist verboten, es wird auf Geschlechter-Gleichbrechechtigung geachtet, für Arbeiter:innen besteht ein Recht auf Gewerkschaftsgründung...

 

Warum dann nicht auch in Bangladesch produzieren? Kreuzueber hat nie einen Hehl daraus gemacht woher die Waren stammen, noch deren Etiketten entfernt oder sonstiges.

 

Mir als Teil von Kreuzueber geht es damit so, wie es den meisten kleinen Labels geht, die „fair und nachhaltig“ produzieren. Sie greifen, am Anfang oder auf Dauer, in der Regel auf zwei große Produzenten für Rohware zurück und diese produzieren nun mal unter den oben genannten fairen Bedingungen in Indien oder Bangladesch.

 

Und ich finde das okay! Produziert oder bezieht eure Klamotten doch aus Bangladesch, wenn die Bedingungen stimmen. Aber verschweigt es nicht einfach. Und denkt daran: „Fair und nachhaltig“ bedeutet dort nicht das gleiche wie in Portugal und selbst in Portugal bedeutet es nicht das Gleiche wie in Deutschland oder wo anders innerhalb der EU.

 

Wenn man in der Öffentlichkeit den Produktionsort Bangladesch allerdings verteufelt und alle Siegel von dort infragestellt und dann heimlich doch seine Waren dort produzieren lässt, kann ich diejenigen, die sich dick „fair und nachhaltig“ unkommentiert auf die Fahnen schreiben, nicht ernst nehmen. Es ist ein Skandal, der keiner hätte sein müssen.

 

Versteht mich bitte nicht falsch. Ich finde es gut, dass es viele kleine Labels gibt, die ihre Sachen nach bestem Wissen und Gewissen produzieren. Und Portugal als Produktionsort ist von Deutschland aus gut zu erreichen um zu schauen, wo und wie Waren hergestellt werden. Und es hat darüber hinaus eine lange Textiltradition, die es gilt zu erhalten und der heutigen Zeit in Sachen Fairness und Nachhaltigkeit anzupassen, was auch schon an vielen Orten passiert!

Und bei den meisten Näher:innen liegt der Stundenlohn besti       

Ich bin für vollen Support kleiner und nachhaltiger Labels, weil sie versuchen, die Welt besser zu machen.

Das Kreuzueber-Konzept ist folgendes: Alle Baumwollproduke in Bio-Qualität zu beziehen, dass andere verwendete Materialien recycelt sein sollen und sie darüber hinaus keine tierischen Produkte enthalten. Kreuzüber arbeitet momentan mit Partner:innen zusammen, die so fair und nachhaltig wie möglich sind. Auch Fairness und Nachhaltigkeit haben nämlich immernoch Grenzen.

Dadurch ist das alles noch weit entfernt davon, wie ich mir eine faire Welt vorstelle und auch ich muss mich bei der Arbeit auf unsere Partner und Siegel verlassen.

Um noch ein bisschen mehr zu leisten, spendet Kreuzueber 10% des Gewinns an coole Organisationen, die gute Arbeit leisten, wo sie dringend gebraucht wird. Weil auch diese Arbeit bezahlt werden muss! Das treibt mich an. Bestimmt ist das nicht alles perfekt, aber ich gebe mein Bestes um mein Leben und auch unser Unternehmen so gut und fair zu führen, wie es geht.

 

Es ist eine wichtige Aufgabe, so schnell wie möglich an den Produktionsorten die Dinge in die Hand zu nehmen und zu verbessern. Es ist ein Schritt in die falsche Richtung, die Produktionen aus Bangladesch oder Portugal abzuziehen. Das hilft dort auch niemandem weiter.

Es muss an jedem Produktionsort, egal ob in der EU oder der ganzen Welt ein ausreichender Lohn gezahlt werden, der allen Arbeiter:innen ein gutes Leben ermöglicht. Und in meinen Augen ist dies zur Zeit weder in Europa noch Bangladesch gegeben.

Ach warte mal. Selbst in Deutschland stehen Menschen, egal wie alt sie sind und ob oder wie lange sie in ihrem Leben schon gearbeitet haben, in Schlangen vor der Tafel... Warum nochmal?

 

Ja, auch ich bin Teil vom kapitalistischen System und so ambivalent es auch scheint, ich würde es am liebsten abschaffen.

 

Wie immer gilt: Fragt und hinterfragt die Dinge, die ihr benutzt. Übt Kritik am System. Wir müssen uns Emanzipieren auch als Verbraucher:innen von der grüngewaschenen Idee, dass ein Siegel automatisch eine heile Welt bedeutet. Wir müssen Wissen, dass sie nur Stück für Stück fairer und nachhaltiger werden kann. Denn nur so kommt, so hoffe ich, unsere Gesellschaft weiter.

 

Liebst jojo